Ansgar Wolsing, Thorsten Faas: Frau Merkel ist Frau Merkel ist Frau Merkel? Online-Experimente zur Wahrnehmung von Spitzenpolitikern, in: Vera Gassen, Lutz Hofer, Eike Mark Rinke, Torsten Stollen, Christian Wolf (Hrsg.): Düsseldorfer Forum Politische Kommunikation, Berlin: Lit, 2007, S. 311–327. [Abstract]
Die Liste der zehn beliebtesten Politiker in Deutschland ist ein integraler Bestandteil der politischen Kommunikationslandschaft in Deutschland. Den dort erfassten Sympathiewerten des politischen Spitzenpersonals kommt eine Art objektiver Währungscharakter zu, kleinste Veränderungen werden beobachtet und bewertet, die zugleich auch politische Konsequenzen nach sich ziehen können: Man muss nur an die Diskussionen denken, ob nicht doch Christian Wulff (an Stelle von Angela Merkel) die Union in den letzten Wahlkampf führen sollte, schließlich war er seiner Zeit der beliebteste Politiker in Deutschland, um dies zu erkennen. Im Rahmen unseres Beitrags wollen wir den scheinbar objektiven Status, den solche Sympathiemessungen genießen, kritisch hinterfragen. Wir werden zeigen, dass die über Umfragen erhobenen Werte keineswegs so „objektiv“ und „eindeutig“ sind, wie häufig angenommen wird. Vielmehr hängen die Bewertungen von der Art und Weise der Präsentation ab – und variieren in der Folge mitunter erheblich. Abstrahiert man von dem konkreten Anwendungsbeispiel in Form der Umfrage, wollen wir mit unserer Forschung zwei Beiträge zur politischen Kommunikationsforschung leisten: Wir zeigen – theoretisch eingebettet in Priming- und Framing-Argumente – Wirkungsmechanismen zur Wahrnehmung von Spitzenpolitikern auf und weisen quasi en passant auf den wertvollen Beitrag, den in (Online-)Umfragen eingebettete Experimente für die Forschung liefern können, hin – denn auf solchen basiert unsere Forschung. Empirische Grundlage unseres Beitrags ist einerseits die wahlumfrage2005.de, andererseits politexi.de. In beiden Fällen handelt es sich um Online-Umfragen, die für (interessierte) Internetnutzer offen standen, erstere im Zeitraum in den letzten sechs Wochen vor der Bundestagswahl 2005; letztere für sechs Wochen nach dem Beginn der großen Koalition. Die Teilnehmerzahlen lagen bei rund 10.000 im ersten, bei rund 1.000 im zweiten Fall. Der Wert von solchen offenen Online-Umfragen ist häufig kritisch hinterfragt worden – und dies grundsätzlich zu Recht. Aufgrund der Struktur der Internetnutzer insgesamt, aber auch insbesondere der speziellen Gruppe der (freiwilligen) Teilnehmer an solchen Umfragen ist Ergebnissen, die auf Online-Umfragen basieren, zunächst mit Skepsis zu begegnen. Insbesondere repräsentative Randverteilungen (also etwa die Vorhersage eines Wahlergebnisses) sind auf diesem Wege kaum zu gewinnen. Allerdings beschränkt sich der Wert einer Umfrage keineswegs auf die Produktion von Randverteilungen. Viel mehr noch interessieren auch Zusammenhänge und vor allem Wirkungsmechanismen zwischen Variablen – und hier können Online-Umfragen wichtige Einblicke liefern, wenn man sie nämlich um experimentelle Elemente anreichert. Dies war bei beiden von uns durchgeführten Umfragen der Fall. In der wahlumfrage2005.de gab es verschiedene Fragen zur Wahrnehmung von Angela Merkel und Gerhard Schröder. Allerdings erhielten die Teilnehmer der Umfrage zufällig entweder zunächst die Fragen zu Gerhard Schröder und anschließend zu Angela Merkel oder umgekehrt. Die ersten Bewertungen konnten demnach unabhängig gegeben werden, während die Bewertung der zweiten Person vor dem Hintergrund der bereits abgegebenen Bewertungen erfolgte. Demgegenüber wurde bei politexi.de die etablierte Frage zur Messung der Sympathiewerte von Politikern gestellt („Bitte geben Sie für jede Ministerin und jeden Minister an, was Sie von ihr oder ihm halten. Bitte benutzen Sie dafür eine Skala von „-5” bis „+5”. + „5” bedeutet, dass Sie sehr viel von einer Person halten; „-5” bedeutet, dass Sie überhaupt nichts von einer Person halten. Mit den Werten dazwischen können Sie Ihre Meinung abstufen.“). Allerdings wurden zufällig verschiedene Stimuli im Zusammenhang mit den zu bewertenden Personen präsentiert. Um es am Beispiel von Angela Merkel festzumachen – entweder wurde, nur ihr Name präsentiert, nur ein Bild von ihr präsentiert, ihr Name und ihr Amt präsentiert, ihr Name, ihr Amt und ihre Partei präsentiert, ein Bild von ihr, ihr Name und ihr Amt präsentiert oder ein Bild von ihr, ihr Name, ihr Amt und ihre Partei präsentiert. Wir erwarten beispielsweise, dass die Nennung der Partei zu polarisierten Sympathiemustern führen sollte (gerade auch bei weniger prominenten Politikern), da die Nennung der Partei einen hilfreichen Frame zur Bewertung einer Person liefert. Dies sollte vor allem für kognitiv weniger involvierte Umfrageteilnehmer gelten. Umgekehrt wird die Nennung des Amtes der Bundeskanzlerin auch die damit verknüpften Prädispositionen eines Umfrageteilnehmers aktivieren. Der häufig zitierte „Amtsbonus“ sollte dazu führen, dass die Bewertungen damit positiver ausfallen.